Die Sage von Ritter Albrecht

Die Legende des Ritters vom Seltbachhaus

Unterhalb der Burgruine Hohenurach, eingebettet in die dichten Wälder der Schwäbischen Alb, liegt das alte Seltbachhaus. Heute dient es Wanderern und Besuchern als Rastplatz, doch wer in der Stille der Nacht verweilt, erzählt von seltsamen Begebenheiten: Schritte, wo keine Füße sind, das Klirren von Metall und ein unheimliches Knistern im Kamin, auch wenn kein Feuer brennt. Die Legende des Hauses, die seit Jahrhunderten weitererzählt wird, handelt von einem mutigen Ritter und seiner unerfüllten Liebe.

Die Geschichte von Ritter Albrecht

Die Sage führt zurück ins 15. Jahrhundert, als die Burg Hohenurach noch im Glanz ihrer Macht stand. Damals war Ritter Albrecht von Seltbach ein treuer Vasall des Burgherren. Albrecht war nicht nur ein mutiger Krieger, sondern auch ein Mann mit großem Gerechtigkeitssinn und einem edlen Herzen. Unter seinen Kameraden galt er als ehrenhaft, doch sein Schicksal wurde durch eine verbotene Liebe besiegelt.

Albrecht verliebte sich in die Tochter des Burgherren, die schöne Helena. Ihre Liebe war rein und leidenschaftlich, doch sie widersprach den ehrgeizigen Plänen des Vaters. Der Burgherr hatte Helena einem wohlhabenden, aber grausamen Grafen versprochen, um die Macht der Familie zu sichern. Als Albrecht von der bevorstehenden Hochzeit erfuhr, schwor er, Helena zu retten, und die beiden planten, gemeinsam zu fliehen. Ihre Zuflucht sollte das abgelegene Seltbachhaus sein, wo sie in Sicherheit wären.

Doch ihr Vorhaben wurde verraten. Der Burgherr schickte seine Männer aus, um Albrecht zu stellen. In einer stürmischen Nacht, unter dem kalten Licht des Mondes, kam es zu einem erbitterten Kampf unterhalb der Burg. Albrecht kämpfte mit allem, was er hatte, doch er war zahlenmäßig unterlegen. Ein hinterhältiger Schlag besiegelte sein Schicksal, und er fiel noch bevor er Helena erreichen konnte. Sein lebloser Körper wurde im Seltbachhaus verborgen, und seine große Liebe blieb für immer unerfüllt.

Die Legende besagt, dass Helena, als sie vom Tod ihres Geliebten erfuhr, ihren Schmerz nicht ertragen konnte. In einer letzten, verzweifelten Tat kletterte sie auf die Mauern der Burg und sprang in die Tiefe. Ihr Geist soll den Ruinen von Hohenurach seitdem ebenfalls innewohnen. Manchmal, so heißt es, hört man in mondlosen Nächten eine traurige Frauenstimme, die nach Albrecht ruft. Ihr tragisches Ende verbindet sie für alle Ewigkeit mit dem Ritter, den sie nie vergessen konnte.

Einige Erzählungen gehen noch weiter: Sie berichten, dass Helena und Albrecht an den geheimnisvollen Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits manchmal für einen Augenblick zueinanderfinden. In diesen seltenen Momenten erstrahlt die Burgruine in einem silbernen Licht, und der Klang einer alten, melancholischen Melodie erfüllt die Luft.

Die Erscheinungen im Seltbachhaus

Seit diesem Tag, so sagt man, wandelt Albrechts Geist ruhelos durch die Mauern des Seltbachhauses. Wanderer und Besucher berichten von unheimlichen Begegnungen. Manche wollen in klaren Vollmondnächten einen Ritter in silberner Rüstung auf einem schwarzen Ross gesehen haben, der schweigend vom Seltbachhaus hinauf zur Ruine reitet und in der Dunkelheit verschwindet. Sein Ross hinterlässt keine Spuren, doch das Knistern der Blätter und das leise Stampfen der Hufe hallen in der kühlen Nachtluft wider. Andere erzählen, dass der Klang seiner Stimme, leise wie ein Hauch, durch die alten Balken flüstert: „Helena, wo bist du?“

Besonders eindringlich ist die Schilderung jener, die das Knistern eines unsichtbaren Feuers im Kamin vernommen haben. Die Flammen, so sagt man, sind manchmal als schwacher Schein in der Dunkelheit zu erkennen, tanzend wie Geister selbst. Es ist, als würden sie die verlorene Wärme Albrechts Seele widerspiegeln. Einmal berichtete ein Wanderer, er habe einen kalten Hauch auf seinem Gesicht gespürt, gefolgt von einem plötzlichen Anblick eines silbrig schimmernden Schwertes, das im Licht des Mondes zu glänzen schien, bevor es sich langsam auflöste.

Eine Frau, die einst im Seltbachhaus übernachtete, schwor, dass sie mitten in der Nacht eine schwere Hand auf ihrer Schulter spürte, obwohl niemand im Raum war. Und wer genau hinhört, vernimmt manchmal das leise Scharren eines Schwertes über den Boden, begleitet von einem tiefen, sehnsüchtigen Seufzen. Es heißt, Albrechts Geist suche noch immer nach seiner verlorenen Liebe, unfähig, Frieden zu finden.

Doch nicht alle Erscheinungen sind furchterregend. Manche berichten von einem goldenen Schimmer, der die Räume des Hauses durchzieht, begleitet von einem Hauch von Rosenöl, Helens Lieblingsduft. In diesen Momenten scheint es, als wäre Albrecht für einen Augenblick mit seiner Helena vereint – oder als wäre ihre Liebe so stark, dass sie durch die Dimensionen hindurch zu spüren ist.

Hoffnung auf Erlösung

Doch die Legende erzählt auch von einem Hoffnungsschimmer. Wenn ein Paar, dessen Liebe aufrichtiger nicht sein könnte, das Seltbachhaus besucht, so wird Albrechts Geist für eine Nacht erlöst. In solchen Momenten soll man ein warmes Glühen in den alten Mauern spüren, als ob der Geist des Ritters für einen Augenblick Frieden findet. Es heißt, dass das Haus dann von einer seltsamen Wärme erfüllt wird und die Dunkelheit für einen kurzen Moment weicht.

Conny und Joe: Die Erlöser

Vor wenigen Jahren suchten Conny und Joe, ein junges Paar aus der Nähe von Stuttgart, das Seltbachhaus auf. Beide waren leidenschaftliche Wanderer und hatten schon von der Legende des Ritters gehört. Was sie jedoch nicht wussten: Ihre Reise sollte das Schicksal des ruhelosen Geistes für immer verändern.

Conny und Joe waren seit ihrer Jugend ein Paar, und ihre Liebe war unerschütterlich. Nach einem langen Tag in den Wäldern der Schwäbischen Alb erreichten sie das Seltbachhaus bei Einbruch der Dunkelheit. Sie beschlossen, dort zu übernachten, trotz der warnenden Worte der Einheimischen über den Geist des Ritters. Die beiden hatten keine Angst – sie glaubten, dass ihre Liebe stärker sei als jede dunkle Macht.

In der Nacht wurden sie von einem plötzlichen, eisigen Luftzug geweckt. Vor ihrem Bett stand ein verschwommener Umriss, der allmählich die Gestalt eines Ritters in schimmernder Rüstung annahm. Albrecht selbst stand vor ihnen, seine Augen voller Trauer und Sehnsucht. Doch anstatt Furcht zu empfinden, spürten Conny und Joe nur Mitgefühl. Sie erkannten, dass der Geist des Ritters nicht böse war, sondern von seiner unerfüllten Liebe gequält wurde.

Conny, die ein intuitives Gespür hatte, sprach sanft zu Albrecht. Sie versprach, seiner Geschichte Gehör zu schenken und Helena in Gedanken zu ihm zu bringen. Gemeinsam mit Joe hielten sie einander an den Händen und rezitierten einen kleinen Vers, den sie improvisierten, um Albrecht zu beruhigen. Plötzlich begann das ganze Seltbachhaus in einem warmen, goldenen Licht zu leuchten. Albrechts Erscheinung lächelte, und bevor er verschwand, murmelte er: „Danke. Sie ist bei mir.“

Am nächsten Morgen war die Luft um das Seltbachhaus leichter, fast heiter. Seit jener Nacht hat niemand mehr von Albrechts ruheloser Gegenwart berichtet. Es heißt, dass Conny und Joe den Ritter erlöst haben, indem sie ihm die Liebe und den Frieden brachten, nach denen er Jahrhunderte gesucht hatte.

Eine Einladung an Mutige

Das Seltbachhaus bleibt ein Ort voller Geheimnisse, in dem die Vergangenheit lebendig ist und die Liebe eines Ritters niemals vergeht. Wer sich traut, dort zu übernachten, sollte den Mut mitbringen, einem Geist voller Treue und Sehnsucht zu begegnen. Vielleicht, so glauben manche, könnte eines Tages ein weiteres reines Herz ein verborgenes Geheimnis des Hauses lüften. Bis dahin aber bleibt das Seltbachhaus ein stummer Zeuge einer tragischen Liebe, die die Zeiten überdauert hat – und eines wundersamen Augenblicks, in dem zwei Herzen einen Geist erlösten.

(nach einer Idee von Joe)

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